Andreas Fischer
Philosoph Zeichner Kunsthistoriker
Beantwortet Vor 11 Monaten · Autor hat 6.776 Antworten und 4,7 Mio. Antwortaufrufe
"Wenn Kunst subjektiv ist, gibt es dann so etwas wie "schlechten Geschmack" nicht?
Kunst ist nicht einfach subjektiv und es gibt schlechten Geschmack. Letzteres hat mit Kunst gar nicht unbedingt zu tun.
Klassische Kunst ist ziemlich objektiv. Man kann ihre Ästhetik zeigen. Allerdings muss man das dazugehörige Wahrnehmungsvermögen in der Regel erst erwerben.
Bei gutem Geschmack ist es so, dass nur der ihn beurteilen kann, der ihn hat. Manche haben ihn eben nicht. Das klingt subjektivistisch, ist es aber nicht. Nicht alle haben dasselbe ästhetische Urteilsvermögen.
Bei der Kunst haben sich die Dinge etwas verschoben. Was heutzutage Kunst ist, entscheidet sich weder über objektive Kriterien oder über guten Geschmack, sondern wird von relevanten Leuten intersubjektiv festgelegt. Ich meine hier das oberste Segment, nicht die Kunstausstellung in der VHS.
Moderne Kunst ist ein komplett anderes ästhetisches und soziales Phänomen als die klassische Kunst. Man sollte sich nicht durch die Identität des Begriffs und die historische Kontinuität verwirren lassen, und deshalb die falschen Kriterien an die jeweilige „Kunst“ herantragen. Dieser Fehler wird auch von vielen „Kunstexperten“ begangen, die irgendwo glauben, es gebe so etwas wie „die Kunst“.
Natürlich kann jeder zu allem sagen „Für mich ist das Kunst“. Nur wird damit das Wesen eben jenes kommunikativen Phänomens verfehlt, das man Kunst nennt. Die Etikettierung von etwas als Kunst hat besonders heutzutage einen sozialen Charakter, und das spiegelt sich auch in der Preisbildung und Preisstabilität ab.
Es empfiehlt sich, mit dem Begriff Kunst und Künstler sehr zurückhaltend umzugehen, und der Neigung zu widerstehen, was die Moderne betrifft, diese Geschichte allzu hoch zu hängen."