Letztens gab es eine rege Diskussion, wie teuer selbst produzierte Sets sein dürfen. Ich möchte Euch mal einen "kleinen" Einblick in die Materie aus meiner Sicht geben.
Mein Modell der Ennser Marienkirche würde TLG nie und nimmer auf den Markt bringen, nicht nur weil es ein religiöses Bauwerk ist, sondern weil es einfach zu wenige Abnehmer für so ein Set geben würde und sich die Arbeit, die dahintersteht, nicht rentieren würde.
http://forum.lgoe.at/index.php?topic=6343.0 Als mich Alois gefragt hat, ob ich mit ein paar Microscale Modellen bei einer kleinen Ausstellung im Ennser Römermuseum dabei sein möchte, habe ich natürlich gleich zugesagt. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, dass ich jedes Mal, wenn ich irgendwo bei einer Ausstellung mitmache, mindestens ein Modell von einer Sehenswürdigkeit des Ausstellungsortes anfertige, denn Einheimische können mit solchen Modellen einfach mehr anfangen als mit irgendwelchen skurrilen Bauwerken aus nah und fern. Also habe ich mir im www ein Ennser Bauwerk gesucht, das einerseits schnell und ohne zu großen Aufwand als Modell realisierbar ist, das aber andererseits auch interessant aussieht.
Die Planung beginnt damit, dass man sich im Web möglichst viele aussagekräftige Bilder zusammensucht. Günstig ist es immer auch, einen Grundriss zur Verfügung zu haben sowie eine Draufsicht aus Google Maps. Neuerdings kann man an vielen Orten auch mittels Streetview die Gebäude umfahren, man kann sich aber sicher sein, dass es IMMER irgendeinen toten Winkel gibt, wo man einfach nicht reinsieht. D.h. allein diese mitunter vergebliche Suche nach der fehlenden Information dauert schon einige Zeit.
Als nächstes stellt sich die Frage nach dem ungefähren Maßstab. Der ergibt sich meistens recht schnell aus irgendwelchen architektonischen Besonderheiten, die im Modell eindeutig zu erkennen sein müssen. Hier beim Beispiel ist es dieses gleichseitige Dreieck des Querschiffes mit der Wandstruktur. Also probiert man mal ein bisschen herum, wie man das möglichst klein hinbekommt, damit die ganze Kirche dann insgesamt nicht zu groß wird. Und dann baut man um die Situation herum. Egal ob man das im Studio plant oder mit richtigen Steinen, man tendiert dazu, zu umständlich zu bauen. Einfach drauf los, Steine ohne Ende reinstecken, kreuz und quer, später schaut eh keiner rein. Solchermaßen gelangt man irgendwann zu einem Ergebnis, das von außen halbwegs hui ist, aber drinnen pfui.
Will man also ein serienreifes Produkt haben, das am Ende leistbar ist, muss man das Modell so weit wie möglich aushöhlen und unnötige Steine entfernen. Da wo es möglich ist, werden kleine Teile durch größere ersetzt. Im studio hat man das Glück, dass man Teile aus dem Verbund herauslösen kann, ohne dass man alles zerlegen muss. Es hat allerdings auch den Nachteil, dass irgendwann Steine zu fliegen beginnen und dass Verbindungen gekappt werden. Und je komplexer ein Bauwerk ist, desto öfter passiert das, zunächst unbemerkt. Es ist also ratsam, bevor man sich die Teile raussucht um das Modell analog zu bauen, eine Bauanleitung zu erstellen.
Das studio Programm hat ein entsprechendes Werkzeug, das aber nur dann vollautomatisch eine brauchbare Anleitung macht, wenn man schon beim Bauen streng von unten nach oben baut und unterwegs nichts mehr verändert. Das passiert aber nie, also zumindest nie bei mir.

Die Erstellung der Bauanleitung funktioniert im Wesentlichen so, dass man digital, Schritt für Schritt, immer die jeweils oberste Lage an Steinen entfernt, bis man irgendwann am Boden anlangt. Unterwegs findet man mit Glück die fliegenden Teile. Und unnötige Teile. Und Teile, wo man mehrere kleine durch ein großes ersetzen kann. Es macht Änderungen am Modell notwendig, die sich wieder auf die Anleitung auswirken, und zwar bei jedem einzelnen Schritt. Man muss bei den Bauschritten den richtigen finden, wo sich die Änderung auswirkt. Das ist oft eine ziemliche Sucherei.
Dann geht es daran, die Bauschritte wieder in die andere Richtung, also von unten nach oben, ins Page Design zu bringen. Schritt für Schritt muss man die Seiten so gestalten, dass man sich beim Bauen später auskennt. Immer wieder das Modell drehen und umdrehen und zurückdrehen und dann findet man wieder fliegende Teile etc. Wieder zurück in den Baumodus, nach der Korrektur zurück in den Bauschrittmodus, Bauschritt mühsam suchen, sodann zurück zum Pagedesigner, richtige Seite wieder finden, auf zum nächsten Makel. Es hört sich hier aber komplizierter an als es ist, man braucht nur ein wenig Übung.
Irgendwann ist man fertig und mit der Bauanleitung zunächst mal im Großen und Ganzen zufrieden. Jetzt, oder auch schon vorher, muss man natürlich auch schon langsam darüber nachdenken, wie man so ein Modell für eine Setausgabe preiswert hält. Dafür ist es zweckmäßig darauf zu achten, dass man nicht zu viele verschiedene Teile in einem Set hat, dass einzelne Steine nicht in zu vielen verschiedenen Farben im Set vorkommen, dass mehrere kleine Teile den Preis mehr drücken als wenige große. Dazu werfe ich zunächst einen Blick in die studioModellinfo und schaue nach, welche Teile nur 1x vorkommen und versuche diese durch Teile zu ersetzen, die auch schon in einer anderen Farbe im Modell vorkommen. Wenn man sie später nicht sieht, weil sie irgendwo in der Bodenplatte stecken, kann man diese leicht austauschen. Eine Farbe durch eine andere zu ersetzen, ist eine eher einfache Übung, es sei denn, man muss den Teil erst suchen. Steine gegen andere Steintypen zu ersetzen, zieht wieder den ganzen Rattenschwanz von oben nach sich. Aber es muss halt sein.
Wenn man dann endlich mit der Bauanleitung zufrieden ist, ist es ratsam, das Ding auch mit richtigen Steinen zu bauen. Dabei muss man sich peinlich genau an die eigene Anleitung halten. Nur dann stellt man fest, wo die Anleitung Schwächen hat und selbstverständlich findet man auch … siehe oben. Alles was man im analogen Modell ändert, muss man auch in der digitalen Version ändern, muss man in der Bauanleitung ändern. Während dem Bauen kommt man drauf, dass ein ausgehöhltes Modell seine Tücken hat und man muss wohl oder übel wieder Steine einbauen, damit das Bauen später Spaß macht und man nicht Stellen hat, wo es passiert, dass beim Andrücken eines Teiles der Rest einknickt. Das ist mir bei diesem Kirchenmodell an einer Stelle passiert.
Unglaublicherweise ist man irgendwann zufrieden und postet das Ergebnis im Forum …
Hat man es schließlich geschafft, auch die Kritiker zufrieden zu stellen, findet man selbst wieder Mängel oder Möglichkeiten zur Verbesserung. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man mit dem Modell rundherum zufrieden ist. Ein Blick auf die Steineanzahl ergibt „334 Teile“, d.h. ein Teil muss weg. Das muss man nicht verstehen, kann man aber.

Also wird irgendein Busch eingekürzt, wodurch es wieder dazu kommt, dass plötzlich wieder ein Teil mehr da ist, der im Set nur 1x vorkommt. Das wird korrigiert und plötzlich sind es 336 Teile. Ein Blümchen muss fallen. Man kann sich das Leben auch unnötig schwer machen. Nicht zu vergessen inkl Rattenschwanz von oben.
Es geht ans Organisieren der Teile für das Set. Viele Teile kommen dabei aus meinem eigenen Vorrat, bei einem Modell wie diesem hier gibt es an die 100 Steinetypen, man muss zu jedem Teil x herauszählen, ja nachdem wie viele Sets es werden sollen. Sieben 1-er Plättchen im Set sind 140 für 20 Sets. Jedes einzelne muss herausgezählt werden und gleichzeitig muss man darauf achten, dass keine Teile dabei sind, die schon mehrfache Zahnabdrücke aufweisen. Nachdem man den eigenen Vorrat durchforscht hat, muss man die anderen Teile organisieren.
Um den Überblick zu bewahren, ist es ratsam, sich spätestens jetzt eine excel-Tabelle anzulegen. Allein das dauert einige Stunden, in meiner Liste sind auch Bilder der einzelnen Teile enthalten. Zum Glück hab ich dafür ein role model von Doris zur Hand und muss „nur“ die Steine, ihre Bilder, ihre Nummern und ihre Bezeichnungen samt Farbe austauschen, also eh fast alles.

Die Tabelle ermöglicht es, Preise von Einzelteilen und verschiedenen Händlern zu vergleichen, um möglichst günstig einkaufen zu können. Wer jetzt glaubt, dass sich diese Tabelle nicht noch öfter ändert, weil mir in der Straßenbahn eingefallen ist, was ich am Modell noch verbessen könnte, der kennt mich schlecht.

Bereits herausgesuchte Teile müssen wieder neu gezählt werden, usw. usw. Und nie die magische Steineanzahl von 333 übersehen. Es geht schneller als man glaubt, dass die Liste mehr Teile aufweist als das Modell. Bei der Skyline sind es ca. 750 Teile, da ein oder zwei Teile zu finden, bei denen sich die Anzahl von 2 auf 3 geändert hat, ist wie die berühmte Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Ein- oder zweimal hält man das aus, aber irgendwann setzt man sich in keine Straßenbahn mehr, das ist einfach zu gefährlich. Das Beste ist es, schon mal parallel mit einem neuen Modell anzufangen.
Steine organisieren ist eine eigene Wissenschaft und erfordert einiges an Logistik. Es ist vorteilhaft, wenn man die Bricklinkpreise im Großen und Ganzen durchschaut hat und ungefähr weiß, was ein spezieller Stein kosten darf. Sucht man gleichzeitig für 2 Sets Steine heraus, ist es aufgelegt, die Dinge zu vermischen. Und es passiert. No-na-ned.
Auch hat man oft das Problem, speziell wenn man im Studio plant, Teile dabei zu haben, die selten sind und schlecht bzw. nur überteuert zu bekommen sind. Wenn man Glück hat, kann man das im Modell noch korrigieren, wobei es ein zweifelhaftes Glück ist, wenn man erst spät draufkommt.
BL-Bestellungen von der Post abholen, immer wieder und wieder.
Es folgt der Auftrag zum Bedrucken einiger Teile. Packerl machen, verschicken, warten.
Ein PDF der Bauanleitung und die studio-datei dem LGOE Chefgrafiker zukommen lassen (vorher fragen, wann und ob er Zeit und Lust hat). Jetzt ist der Groschen gefallen. Ab jetzt gibt es am Modell einen endgültigen Redaktionsschluss. Ab jetzt kann ich wieder Straßenbahn fahren.
Irgendwann hat man alle Steine beieinander. Vereinskollegen helfen bei der Beschaffung von Schachteln und Druckverschlussbeuteln. In die Sets kommen später auch Vereinsflyer und die Sets werden mit LGOE Pickerl versiegelt. Muss man daran denken, dass man alles rechtzeitig zu Hause hat.
Evt. muss man sich selbst um den Druck der Bauanleitungen kümmern. Die Schachteln bekleben.
Und eine heikle Angelegenheit steht noch bevor. Die Teile auf die Sets aufteilen. Da darf einfach kein Fehler passieren. Jeder von uns weiß, wie besch… es ist, wenn Teile fehlen. Viele von uns können das notfalls aus dem eigenen Vorrat korrigieren, aber wenn man ein Set an Fremde gibt, muss es einfach passen. Das ist eine furchtbare Arbeit, bei der man schon wenn man sie macht, ein schlechtes Gewissen hat, obwohl man sich redlich bemüht, sie gut zu machen.
Das Ganze ist für mich nur Teil meines Hobbys. Für mich ist es nett zu wissen, dass es eine Möglichkeit gibt, etwas anbieten zu können, was einzelnen Leuten Freude bereitet. Und ein bisschen schwingt natürlich auch mit, dass von einem was bleibt, wenn man mal selber nicht mehr ist. In 300 Jahren gehört meine Skyline wahrscheinlich zu den weltweit teuersten Sammlersets und die Erben meines Juniors müssen nie wieder arbeiten gehen

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Wenn der Klassiker nur halb so einen großen Vogel hat wie ich und seine Sets schneller und effizienter auflegt, wird er dennoch kaum etwas tatsächlich verdienen, weil die Zeit und den Aufwand und persönlichen Einsatz, die er da hineinsteckt, würde sich bestimmt niemand leisten wollen oder können. Er bietet etwas an, wofür es eine Marktlücke gibt. Aber er ist ein MACHER und allein das zeichnet ihn aus, denn nur zu sagen, „man könnte“ ist zu wenig. Ob Euch seine Sets gefallen oder nicht, wird ihm persönlich egal sein, solange Ihr zur untätigen Konkurrenz zählt.
Seine Trauersets sind vermutlich auf dem Mist eines Psychologen gewachsen, der ihn gefragt hat. Und seine Antwort war bestimmt: „Aus LEGO kann man ALLES bauen (aber je unattraktiver es für mich zu bauen ist, desto teurer mach ich es. Und außerdem muss ja der Psychologe auch was dabei verdienen.)“